Ganzheitliches Krankheitsverständnis
Das Fachgebiet Psychosomatische Medizin und Psychotherapie umfasst die Diagnostik und Behandlung von psycho-somatischen und somato-psychischen Erkrankungen. Dabei gehen wir von einem ganzheitlichen Krankheitsverständnis aus. Psyche, griechisch, die Seele, und Soma, griechisch, der Körper stehen in einem engen Verhältnis zueinander und können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Es geht also primär um die Wechselbeziehungen von körperlichen und seelischen Prozessen.
Psychosomatische Erkrankungen
Bei den klassischen psychosomatischen Erkrankungen führt ein seelischer (psychischer) Konflikt zu einer körperlichen Erkrankung. Zum Beispiel kann ein chronischer Arbeitsplatzkonflikt Magenschmerzen verursachen, mir also sprichwörtlich „auf den Magen schlagen“ und zu einer chronischen Gastritis führen. Auch andere Organstörungen können durch anhaltenden Stress verursacht werden und zu einer chronischen Erkrankung werden. Welches Organ betroffen ist, hängt von der sogenannten genetischen und/oder biologischen Disposition des Individuums ab – hier spielen also biologische molekulare, immunologische, Umwelt- und andere Faktoren eine Rolle.
Auch chronische Schmerzen wie Kopf- oder Rückenschmerzen gehören zu den psychosomatischen Krankheitsbildern. Wir sprechen von den chronischen Schmerzstörungen, meist mit körperlichen und psychischen Faktoren, als einer eigenständigen Erkrankung. Die Betroffenen sind durch die Schmerzen chronisch körperlich wie auch psychisch belastet, in ihren Alltagsfunktionen beeinträchtigt und in der Folge häufig auch in ihren sozialen Bezügen eingeschränkt. Stichworte sind das Schmerzgedächtnis und der Circulus vitiosus (Teufelskreis) des Schmerzes: Schmerz führt zu eingeschränkter Bewegung, weiterer muskulärer Verspannung, Schonung, Abbau von Muskulatur, Chronifizierung und schließlich Verstärkung des Schmerzes. Psychisch kommt es zu einer Fokussierung und damit weitergehenden Chronifizierung des Schmerzes. Therapeutisch gilt es an den verschiedenen Aspekten, psychisch wie körperlich, insbesondere auch die Vermeidung von Bewegung, zu behandeln.
Umgekehrt führen körperliche Erkrankungen häufig auch zu psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen. Zum Beispiel tritt nach einem Herzinfarkt häufig eine Depression oder Angststörung auf, weil die Betroffenen in ihrer Belastbarkeit beeinträchtigt sind, gesundheitsbezogene Ängste entwickeln und sich Gedanken machen, wie das Leben nach dem Infarkt weitergehen kann.
Bio-psycho-soziales Modell
Hinter dem Fachbegriff Psychosomatische Medizin und Psychotherapie steckt also ein traditioneller Medizinansatz, der ein ganzheitliches Verständnis von Erkrankungen und gesundheitlichen Störungen beinhaltet.
Dieses Grundverständnis basiert auf dem bio-psycho-sozialen Modell nach Engels (1977): Biologische, psychologische und soziale Faktoren wirken zusammen, in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten.
Deshalb beziehen wir körperliche Faktoren wie die Neigung, eine bestimmte Erkrankung oder Organstörung zu entwickeln (Organdisposition), Vorerkrankungen, bisherige Behandlungen (Krankheitsanamnese), die aktuelle Lebenssituation, Persönlichkeitsfaktoren, weitere psychologische wie auch soziale (Umwelt-) Faktoren in unsere Therapien ein.